Auf der öffentlichen Sitzung des Hauptausschusses der Hansestadt am 17.08.2020 steht der Bauantrag zum Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage in der Stralsunder Straße 47/ Ecke An der Bleiche auf der Tagesordnung.
Die Eigentümer des Grundstückes Stralsunder Straße 47 möchten ein neues Wohn- und Geschäftshaus nach Abbruch der bestehenden Gebäude errichten. Es sollen 48 Wohnungen und 6 gewerbliche Nutzungseinheiten erstellt werden.
Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich, ein Bebauungsplan besteht bislang nicht. Gemäß BauGB ist ein Bauvorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
Im Bauantrag und in der Begründung der Beschlussvorlage wird auf die Höhe der baulichen Anlage (bis 18,85 m) eingegangen und dargestellt, dass „auf der gegenüberliegenden Straßenseite und weiter nördlich auch höhere Gebäude vorhanden seien“. Allerdings fehlt die Darstellung des Bezugsrahmens, denn die meisten Gebäude sind deutlich niedriger. Der Dom wurde auch hoch gebaut, er wird aber nicht als Bezugsrahmen für Bauvorhaben in seiner unmittelbaren Nähe herangezogen. Das als Referenz benannte, vor mehr als 120 Jahren erbaute ehemalige Gesundheitsamt in der Stralsunder Straße 5/6 ist 4 Meter niedriger und hat eine wesentlich geringere Flächenausdehnung.
Die Bauweise fügt sich keinesfalls in die nähere Umgebung ein - weder nach Art noch nach Maß der baulichen Nutzung: 48 Wohnungen und 6 Geschäfte bilden eine Größenordnung, die einzigartig in der gesamten Steinbeckervorstadt wäre und das Ortsbild dominerte.
Die geplante Tiefgarage in unmittelbarer Nähe des Flusses und der alten Moorflächen wird dauerhaft den Schutz des Moores verhindern. Die Auswirkungen auf den gesamten Stadtteil sind wegen der Verdichtung der Bebauung und der steigenden Verkehrslast so groß, dass eine Beurteilung nach § 36 BauGB nicht ausreichen dürfte. Auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist damit nicht verpflichtend vorgeschrieben. Deshalb ist die Erstellung eines Bebauungsplanes die einzige Möglichkeit, um rechtsverbindliche Vorgaben festzulegen und eine Beteiligung der Öffentlichkeit zu erzwingen.
Der Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. 3 „Stralsunder Straße“ wurde nicht aufgehoben. Das Verfahren ist nicht abgeschlossen, sondern sollte mit Hilfe des Masterplans weitergeführt werden. In diesem Fall sollte in guter fachlicher Praxis eine Veränderungssperre für ein oder zwei Jahre gem. § 14 BauGB Abs. 1 beschlossen werden.
Der beschlossene Masterplan allein hat keine rechtliche Bindung, da er lediglich die strategische Grundlage zur künftigen räumlichen Entwicklung der Steinbeckervorstadt darstellt. Inhaltliche Ziele des Masterplanes, wie „weniger Bebauung“, „behutsame Entwicklung“, „gebietsweise autofreies Wohngebiet“ und „soziale Durchmischung“ finden im Bauantrag keine Beachtung.
Da es nicht möglich ist, auf dem Grundstück alle erforderlichen Pkw-Stellplätze zu schaffen, wurde ein Befreiungsantrag von der Herstellungspflicht entsprechend § 3 Abs. 1 der Stellplatz- und Fahrradabstellplatzsatzung und die Ablösung dieser Stellplätze beantragt. In der Konsequenz führte das zu noch mehr parkenden Fahrzeugen in der näheren Umgebung des Museumshafens. Zielsetzungen der Lärmaktionsplanung, wie „nachhaltige Reduzierung des Kfz-Verkehrsaufkommens“ und „gezielte Steuerung des ruhenden Verkehrs“ werden dadurch unterlaufen.
Am 14.07.2020 ging der Bauantrag bei der Abteilung Stadtentwicklung/ untere Denkmalschutzbehörde ein. Das gemeindliche Einvernehmen gilt als erteilt, wenn es nicht binnen 2 Monaten nach Eingang des Ersuchens verweigert wird. Es ist nicht möglich, das Ersuchen in der nächsten regulären Beratungsfolge zu behandeln, da das gemeindliche Einvernehmen ansonsten bereits am 15.9.2020 als erteilt gelten würde.
Der überwiegende Teil des Grundstücks liegen im Erweiterungsbereich des Sanierungsgebietes Innenstadt/ Fleischervorstadt. Sanierungs- und etwaige denkmalrechtliche Belange werden in einem gesonderten Verfahren behandelt.
Quelle: https://greifswald.sitzung-mv.de/public/vo020?VOLFDNR=1001152